Dass der Yachtmarkt nicht mehr lange unter Vollzeug segeln würde, zeichnete sich schon Mitte 2023 ab. Nach dem pandemiebedingten Boom der Vorjahre dünnten sich erst die Orderlisten aus, dann brachen die Verkaufszahlen ein wie der Wind im Auge eines Tiefdruckwirbels. Die Konsequenz: Viele Werften strichen oder streckten ihre Entwicklungsprojekte. Beneteau etwa, der Weltmarktführer, brachte 2024 kein einziges neues Boot auf den Markt. Bei anderen verzögerte sich die Fertigstellung um Monate.
Für die Wahl zu Europas Yacht des Jahres, an der nur Newcomer teilnehmen können, bedeutete das nahezu eine Halbierung der Zahl der Nominierten, die tatsächlich zu den Tests antraten. Eine nur in Teilen traurige Entwicklung. Denn die Boote, die nach Kiel-Schilksee und Palma de Mallorca kamen, gaben durchweg sehr starke Vorstellungen bei leichten bis fordernden Bedingungen.
Während die Kieler Förde zum zweiten Mal Schauplatz der rigorosen Praxiserprobung war, gastierte die Jury aus den Chefs der zwölf wichtigsten Segelmagazine Europas erstmalig auf der Baleareninsel. Der Club de Mar räumte dafür eigens die Spitze der Außenmole frei. Die Kandidatinnen lagen in illustrer Gesellschaft, umgeben von bis zu 60 Meter langen Superyachten. Da wirkte dann selbst die Contest 63 CS, das längste Boot unter den diesjährigen Nominierten, gar nicht mehr so groß.
Ein Trend ließ sich vom Daysailer bis zum Racer, vom Fahrtenboot bis zum Performance-Katamaran fast durch die gesamte Flotte beobachten: der zu immer mehr Variabilität. Sei es bei den Antrieben, beim Kajütlayout oder in der Grundkonzeption: Immer öfter versuchen die Hersteller, mit einem Modell gleich mehrere Zielgruppen anzusprechen. Den vielleicht größten Spagat macht dabei die ClubSwan 43. Die OneDesign-Rennyacht von Nautor lässt sich mit geringem Aufwand zum sportlichen Cruiser umfunktionieren.
Noch etwas fällt auf in diesem Jahr: Nie war die Vormachtstellung der Franzosen geringer. Zwar führen sie mit 38 Gesamtsiegen die ewige Bestenliste weiter überlegen an. Dieses Jahr aber addierten sie nur einen Titel zu ihrer imposanten Sammlung; die anderen vier gingen jeweils an andere Länder. Deutschland festigte seinen zweiten Platz, die Niederlande rückten um eine Position auf Rang drei vor, den sie sich mit Dänemark und Italien teilen. Lesen Sie hier, welche Yachten den Sprung an die Spitze geschafft hat und was sie auszeichnet.
Die Yacht aus Greifswald musste sich gegen starke französische Konkurrenz behaupten. Zum Sieg verhalfen ihr die solide Struktur, ein präzises Steuergefühl und maximale Breitbandigkeit.
Breit ist sie, fürwahr. Mit knapp vier Metern zieht die Hanse 360 mit Yachten gleich, die im Rumpf länger sind – etwa der Bavaria C38 oder der RM 10.80. Ihr extremes Längen/Breiten-Verhältnis von 2,6 und die auch im Bug starke Aufkimmung distanzieren den Entwurf von Olivier Racoupeau nicht nur visuell. Vor allen das Platzangebot unter Deck unterscheidet sie vom Gros des Marktes. An beides muss man sich gewöhnen. Tatsächlich ist die Hanse 360 einer 40-Fuß-Yacht näher als ihren direkten Mitbewerbern. Wo die Achterkojen in der Drei-Kabinen-Version sonst nur Kindern zumutbar sind, bietet sie adäquate Gästekammern für je zwei Erwachsene. Auch sonst fehlt es nirgends am nötigen Volumen: Pantry, Vorschiff, Salon – alles prima, wenn man von den nahezu lotrechten Rückenlehnen der Sitzgruppe einmal absieht. Aus der großen Breite bezieht die Hanse auch ein Gutteil ihrer (Form-)Stabilität; der Ballastanteil bleibt mit nur 23 Prozent hingegen gering. Dennoch segelt sie unter normalen Bedingungen steif und trägt problemlos Gennaker oder Code Zero. Die verwindungsfreie Bodengruppe und eine spiel-freie, geradezu chirurgisch präzise Ruderwirkung vermitteln viel Sicherheit, ja: Segelfreude. Man sollte nur in größere Winschen und Genua investieren, um das volle Potenzial abrufen zu können. Wie überhaupt einiges Aufpreis kostet. Die vielen Extras machen die Hanse 360 sehr individuell konfigurierbar – und potenziell teuer. Ungeachtet dessen ist sie ein solider, ein guter Kauf!
„Sie erfüllt nahezu alle Anforderungen an einen modernen Familienkreuzer“, findet Roland Regnemer von der österreichischen YachtRevue. Alberto Mariotti, Editor von Superyacht24 in Italien, sieht es genauso: „Qualität, Leistung und Volumen: Dieses Boot hat alle Qualitäten, um eine Referenz für den Sektor zu werden. Die Devise lautet Vielseitigkeit.“
Verwindungssteifer Rumpf, hohe Stabilität
Präzise Steuerung, auch bei mehr Wind
Viel Platz unter Deck, gute Kojenmaße
Sehr gute Belüftung
Sehr hohe Individualisierbarkeit
Komplett ausgestattet relativ teuer
Mit Selbstwendefock etwas untertakelt
Ihre zeitlose Ästhetik hebt sie schon aus der Masse hervor. Wenn die Segel oben sind, überzeugt sie erst recht: mit Leistung und einer geradezu begeisternden Leichtfüßigkeit.
Die US-Marke mit Fertigung in der Vendée-Globe-Hochburg Les Sables-d’Olonne hat schon früh neue Wege beschritten. Als eine der ersten Werften setzte sie bei der Rumpfkonstruktion Gurits fortschrittliches Sprint-Verfahren ein, bei dem vorimprägnierte Fasern unter Vakuum infusioniert und anschließend getempert werden. J Boats vollzog auch den Wechsel vom Spinnaker auf den Gennaker in vorderster Position. In letzter Zeit waren sie zwar weniger kühn. Bewusst gingen sie den Trend zu harten Chines und immer breiteren Hecks nicht mit, um bestmögliche Amwind-Eigenschaften zu wahren. Ihr eher evolutionärer als revolutionärer Ansatz hat ihnen aber einen festen Platz auf dem Markt der Performance-Cruiser gesichert. Die J/40 ist ein perfektes Beispiel dafür: Mit ihren eleganten, zeitlosen Rumpflinien, dem äußerst reaktionsschnellen und mit nur zwei Fingern bedienbaren Zentralruder, einem bewährten, hocheffizienten Cockpitlayout und dem fein austarierten Segelplan konnte sie im Test unter allen Bedingungen überzeugen. Obwohl sie fast bescheiden wirkt, wird diese Yacht nicht aufhören zu begeistern. Vor allem längsdynamisch ist sie eine Wucht. Und selbst in Sachen Fahrtenkomfort kann sie überzeugen. Sicher, es gibt Performance-Cruiser in der 40-Fuß-Klasse mit aufwendiger gestaltetem Interieur. Diese verfügen jedoch nicht über die gleiche Agilität und kosten zudem mehr. Wer Leistung über Luxus stellt, sollte sich die J/40 auf jeden Fall genauer ansehen.
„Sie ist das Boot für all jene, die finden, dass modernes Yachtdesign zu weit gegangen ist“, sagt Axel Nissen-Lie, Chefredakteur des norwegischen Seilmagasinet. Sebastien Mainguet von Voiles & Voilier in Frankreich nennt die J/40 „ein Traumboot, das unter allen Bedingungen schnell segelt. Bei leichtem Wind erreicht sie immer die Windgeschwindigkeit oder sogar mehr“.
Sehr gute Segeleigenschaften
Enge Wendewinkel
Feines Feedback vom Ruder
Gute Cockpit-Ergonomie
Hochwertige Beschlagsausstattung
Uninspiriertes Interior Design
Dreikabiner mit wenig Stauraum an Deck
Das Topmodell der zur Bavaria-Holding gehörenden Kat-Werft überzeugt auf ganzer Linie – nicht zuletzt unter Segeln.
Der erste Sieg der Bootsbauer aus Rochefort, nur knapp 40 Kilometer südlich von La Rochelle entfernt, liegt erst zwei Jahre zurück. Damals hat der 44 Open den Titel geholt. Und es ist gar nicht so leicht, so einen Erfolg mit einem konzeptionell sehr ähnlichen Boot zu wiederholen. Aber die französische Werft hat es geschafft, auch gegen starke Konkurrenz von Marktführer Lagoon. Was den Ausschlag gab, waren einmal mehr das sehr gute Gesamtpaket, vor allem auf See. Tatsächlich segelt der Nautitech 48 Open sogar noch besser als sein anerkannt potentes Schwestermodell. Die Unterschiede im Rumpfdesign mögen zwar subtil sein, aber sie sind höchst effektiv: Mit weniger Kielsprung, mehr Mastfall und einer schmaleren Wasserlinie achtern verhält sich der Kat sehr angenehm, krängt leicht, wenn man ihn antreibt, und kommt mühelos über oder durch die Wellen. Die Wendewinkel bleiben mit unter 100 Grad recht gering für die Gattung, das Ansprechverhalten auf Böen ist erstaunlich für ein so großes Boot. Und mit 12,8 Knoten Topspeed raumschots unter Gennaker bei mäßigen 16 Knoten wahrem Wind zählte der Nautitech zu den Schnellsten im Kreis der Nominierten. Während andere Mehrrumpfmarken noch mehr Volumen und mehr Annehmlichkeiten bieten, enttäuscht er auch nicht in Sachen Langfahrttauglichkeit. Hier ist also die nahezu perfekte Balance aus vergnüglicher Leistung und jeder Menge Komfort, die sogar Einrumpf-Fans begeistern kann.
„Es gibt Fahrten-Katamarane und Performance-Kats. Und dann gibt es den Nautitech 48 Open, der das Beste aus beiden Welten vereint“, findet Marinus van Sijdenborgh de Jong, Testchef des holländischen Magazins Zeilen. Pasi Nuutinen von Vene aus Finnland fasst das Boot in zwei Worten zusammen: „ein Vergnügen!“
Sehr ausgewogene Konstruktion
Gute Segel- und Manövriereigenschaften
Hohes Geschwindigkeitspotenzial
Variabel nutzbarer Salon
Überdurchschnittliche Strukturfestigkeit
Sicht durchs Deckshaus eingeschränkt
Hoher Preis, dafür aber gute Ausstattung
Die Kleinste der Finalisten zeigte im Test viele Stärken, auch bei Starkwind: ein echtes Überraschungspaket.
Swallow Boats aus dem Vereinigten Königreich ist vielleicht kein jedermann vertrauter Markenname. Aber für diejenigen, die ihn kennen, gilt er als Synonym für Seetüchtigkeit und Einfallsreichtum. Die neue Bay Cruiser 21 ist dabei das bisher beste Boot der findigen Briten. Sie gewann die Herzen und Köpfe der Jury durch ihre super-sympathische Praktikabilität und geniale Einfachheit. Selbst mit einem großen Außenborder, der – aus dem Schacht am Heck hochgekippt – den hinteren Teil des Cockpits stark einengt, ist die Plicht immer noch groß genug, um vier Personen Platz zu bieten. Wer stattdessen einen kompakten Elektromotor ordert, gewinnt zusätzliche Bewegungsfreiheit. Auch die Einraum-Kajüte ist erstaunlich gut nutzbar. Die an einer Leiste eingehängten Rückenlehnen ermöglichen bequemes Sitzen mit viel Kopffreiheit für einen Kleinkreuzer von nur sechs Meter Länge; als Einlegebretter schaffen sie eine komfortabel breite V-Koje – wer braucht schon mehr auf einem Wochenendtörn? Den stärksten Eindruck hinterließ die Bay Cruiser 21 bei frischen Bedingungen auf der Kieler Außenförde. Selbst bei 5 bis 6 Beaufort spurte sie ohne Anstrengung, kämpfte sich an der Kreuz tapfer durch die kurzen, steilen Wellen und ließ sich raumschots unter ihrem Fraktional-Gennaker sogar auf knapp zweistellige Spitzenwerte treiben. Weht es moderat, segelt sie ohne Wasserballast steif genug. Was noch für sie spricht: Ihr reicht ein Landliegeplatz und ein Trailer, denn sie lässt sich in weniger als 30 Minuten über eine Rampe einwassern und segelklar machen. Klasse!
Alberto Mariotti sagt: „Ein gut durchdachtes Boot, das eine großartige Ergänzung für eine Branche darstellt, die sonst von Größe besessen ist.“ Und Joakim Hermansson, Juror aus Schweden, bilanziert: „Die Bay Cruiser ist vollgepackt mit cleveren Lösungen, die das Handling auf- und abseits des Wassers zum Kinderspiel machen.“
Mix aus Retro-Design und Hightech
Dank Wasserballast leicht trailerbar
Kein Liegeplatz am Steg nötig
Beachtliche Seetüchtigkeit
Aufholbares Schwert, Trockenfallen möglich
Genug Raum unter Deck für Touren zu zweit
Außenborder ragt hochgeholt weit in Plicht
Das Beste zum Schluss. Konstruiert von Judel/Vrolijk in Bremerhaven, gebaut in Medemblik, begeistert dieses Boot in jeder Hinsicht.
Werftchef Arjen Conijn führt die niederländische Nobelwerft in dritter Generation. Und auch wenn er in den vergangenen 20 Jahren die Modelle mit dem stilisierten Tulpen-Logo immer dynamischer, agiler gemacht hat, blieb er dem ursprünglichen Markenkern stets treu: Bei Sicherheit, Festigkeit und Steifigkeit gibt es keine Kompromisse. Und da ist noch etwas: „Wir sind vielleicht ein bisschen verrückt, was Detaillösungen angeht“, sagt er. „Das macht Luxusyachten doch aus.“ Wie Recht er hat! Die Sorgfalt und Qualität, die die Bootsbauer vom IJsselmeer bei all ihren Schiffen walten lassen, zählt zum Besten, was der Markt zu bieten hat. Bei der 63 CS sind sie sogar noch ein bisschen weiter gegangen. Sehr klare, schnittige Linien machen sie zu einer wirklich zeitlosen Yacht der Spitzenklasse. Auch unter Deck lässt sie ihre Besatzung in Ruhe: mit einem ausgewogenen, unaufdringlichen Design und einem Maß an Komfort und Handwerkskunst, wie man es sonst selten sieht. Wer sich nicht schon beim bloßen Anblick verliebt, wird spätestens nach den ersten Meilen unter Segeln schwach werden. Von einem leichten Windhauch bis hin zu Böen der Stärke sechs und starkem Regen überraschte die Contest die Jury durchweg: reaktionsschnell, direkt, steif und ziemlich schnell, auch dank des wundervollen Performance-Riggs und perfekt laminierter 3Di-Membransegel von North. Gefeliciteerd!
„Sie segelt mit einer Leichtigkeit, die nicht im entferntesten auf eine Verdrängung von um die 30 Tonnen schließen lässt“, zeigte sich Lori Schüpbach von der Schweizer marina.ch beeindruckt. Diego Yriarte von Nautica y Yate in Spanien sagt: „Auf mehr als 19 Metern Länge gibt es keinen Zentimeter Platz, der auf der Contest 63 CS nicht sinnvoll genutzt wird.“
Erhabene, dabei unprätentiöse Linien
Sehr gute Leichtwind-Eigenschaften
Perfekt übersetzte Ruderanlage
Von kleiner Crew zu bedienen
Hochwertiger Ausbau, harmonisches Design
Vielfältig konfigurierbar, auch für Langfahrt
Absolut wie relativ sehr teuer
Skipper-Kabine dient auch als Segellast